Zwei erfolgreiche Neuanfänge

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Artikel: Zwei erfolgreiche Neuanfänge

Ricardo Wüst und Jens Bohnes sind über den Quereinstieg Lokführer geworden

Als der Regional-Express der Linie 7 in Richtung Wünsdorf-Waldstadt an diesem Morgen im Berliner Ostbahnhof einfährt, zeigt sich der Herbst nicht von seiner goldenen Seite. Dichter Nebel hängt über den Schienen, besonders weit gucken kann man nicht.

„Der Herbst mit der überfrierenden Nässe und dem Laub ist für Lokführer die schwierigste Jahreszeit, das werden alle Kolleginnen und Kollegen bestätigen“, sagt Nico Bock. Er ist Ausbilder und Prüfer für Eisenbahnfahrzeugführer bei DB Regio Nordost.

Über einen Onkel zur Bahn gekommen

Mit ihm am Gleis bereit stehen Ricardo Wüst und Jens Bohnes. Beide treten gleich ihre Trainingsfahrt im Zug der Baureihe 442 an. Die Männer haben den Quereinstieg als Lokführer erfolgreich abgeschlossen und erwerben mit dieser Fahrt ihre Berechtigung, künftig eine weitere Baureihe steuern zu dürfen. „Die Herausforderung bei diesen Fahrzeugen ist, dass sie vergleichsweise leicht sind“, erläutert Nico Bock. „Das heißt, dass wir hier schnell ins Gleiten oder Schleudern gelangen.“

Jens Bohnes setzt sich als Erster ans Steuer, Ricardo Wüst hat derweil Zeit, ein paar Fragen zu beantworten. Die Arbeit auf der Schiene ist dem 32-Jährigen bereits bestens bekannt. Acht Jahre lang war er als Lokführer im Nahverkehr unterwegs, machte dann einen Abstecher zum Fernverkehr, bevor es ihn schließlich zu DB Regio Nordost verschlagen hat. Zur Bahn gekommen ist Ricardo Wüst über seinen Onkel, seines Zeichens ebenfalls Lokführer. Er ermutigte den Neffen, der nach der Schule eine Ausbildung zum Straßenbauer gemacht hat, sich mittels Quereinstieg zum Lokführer ausbilden zu lassen.

Blick über die Schulter eines Lokführers auf die Strecke.
Ricardo Wüst erwirbt hier seine Berechtigung, künftig auch die Baureihe 442 steuern zu dürfen.

„Die größte Herausforderung dieser neunmonatigen Ausbildung war herauszufinden, wie die Eisenbahn funktioniert“, erinnert sich der Blankenfelder. „Man bekommt sehr viele Regelwerke in die Hand gedrückt, die man durcharbeiten muss. Aber es gibt einen bestimmten Punkt, wenn dann der Knoten platzt, versteht man plötzlich, wie alles funktioniert“, ergänzt er lachend. „Und das meiste lernt man sowieso, wenn man selber fährt.“

Die Arbeit mit Fahrzeugen unterschiedlicher Baureihen mache ihm bei seinem Job am meisten Spaß, erzählt Ricardo Wüst. „Man bewegt hier mehrere hundert Tonnen – und muss dafür sorgen, dass das Fahrzeug richtig funktioniert. Auch die Verantwortung ist ein tolles Gefühl. Wir sind diejenigen, die die Fahrgäste sicher von A nach B bringen müssen.“

Möglichkeit der Weiterentwicklung

Natürlich sei die Arbeit im Schichtdienst nicht immer einfach. Aber es komme dabei auch auf die Einstellung an, sagt der 32-Jährige. „Man kann sich schon daran gewöhnen. Ich persönlich mache am liebsten Spät- und Nachtschichten.“ Er schätzt an seinem Job nicht nur das geregelte Einkommen, sondern auch, dass er stets die Möglichkeit hat, sich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen – auch wegen der unterschiedlichen Baureihen, die bei DB Regio Nordost im Einsatz sind.

Mit der Baureihe 442 fährt Ricardo Wüst heute zum fünften Mal. Inzwischen ist der RE7 in Wünsdorf-Waldstadt angekommen, ein Fahrerwechsel steht an. Ricardo Wüst steuert den Zug nun als Lokführer zurück nach Berlin, Jens Bohnes nimmt als Fahrgast Platz. 

Jens Bohnes im Führerstand einer Lok, die er steuert.
Jens Bohnes ist über den Quereinstieg Lokführer geworden.

Der 54-Jährige hat sich 2006 als Quereinsteiger zum Lokführer ausbilden lassen, war anschließend sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr unterwegs. Bei DB Regio Nordost ist er seit 1. Oktober 2022. Bevor er auf die Schiene wechselte, habe er unter anderem Autos repariert und später dann Computer, erzählt Jens Bohnes.

„Je älter man wird, desto stressiger ist die Ausbildung“, resümiert er. „Ich bin sehr technikaffin, das hat mir geholfen. Aber am Anfang erwartet einen viel Theoriestoff – und Neues von so komplexer Materie zu lernen, wird im Alter immer schwieriger.“ Die Ausbildung habe viel Zeit gekostet. Zeit, die an anderer Stelle – vor allem bei der Familie – fehlte.

Solide Fahrzeuge mit wenig Störungen

„Jeder lernt anders, aber man muss sich dahinterklemmen. Dazu gehört auch, sich an den Wochenenden und nach Feierabend noch hinzusetzen“, sagt der Berliner. Der 54-Jährige schätzt an der Baureihe 442, dass sie „toll fährt, klasse bremst und gut klimatisiert ist“. Solide seien diese Fahrzeuge, mit nur wenig Störungen. 

Gegen zehn Uhr fährt der RE7 am Berliner Ostkreuz ein, Nico Bock und seine beiden Lokführer steigen aus. Für sie geht es nun weiter nach Lichtenberg, dort steht noch eine Standprüfung am Fahrzeug an.

Zwei Männer am Einstieg einer Lok, einer schaut aus der Tür raus.
Ricardo Wüst (l.) und Jens Bohnes starten zu ihrer Trainingsfahrt im Zug der Baureihe 442 in Richtung Wünsdorf-Waldstadt.

„Wegen des Nebels lag auf den Schienen heute ein schmieriger Film, das lässt sich nicht so leicht fahren“, fasst Nico Bock zusammen. „Aber beide haben sich wacker geschlagen und die Zug- und Bremskraft wirken lassen, sodass sich das Fahrzeug selbst reguliert hat. Super gemacht“, schließt der Ausbilder.

Neugierig geworden?

Informationen rund um den Direkt- und Quereinstieg als Triebfahrzeugführer:in (Tf) bei DB Regio Nordost gibt es unter:

bahn.de/brandenburg
karriere.deutschebahn.com

Text: punkt 3, Josephine Mühln, 24.11.2022