Ein Hochkomplexes Projekt

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Artikel: Ein Hochkomplexes Projekt

Die Modernisierung der Talent-2-Züge bei DB Regio Nordost

Insgesamt sind deutschlandweit rund 350 Talent-2-Fahrzeuge der sogenannten Baureihe ET 442 unterwegs – davon aktuell 85 im Fuhrpark von DB Regio Nordost. Noch bis Ende 2022 und mit Beginn des Verkehrsvertrages Netz Elbe-Spree werden 43 dieser Fahrzeuge, die mittlerweile seit über zehn Jahren im Einsatz sind, in Hennigsdorf bei Alstom (ehemals Bombardier) „unter rollendem Rad“ – also ohne Beeinträchtigungen für die Fahrgäste – umgebaut und modernisiert. Was simpel klingt, ist ein gigantischer organisatorischer und technisch hochkomplexer Vorgang, der nur von absoluten Spezialist:innen gestemmt werden kann. Einer davon ist Dr. Daniel Bing. Hier berichtet er über Herausforderungen und Highlights dieses Modernisierungsprojekts.

Herr Bing, bohren wir direkt die dicken Bretter, was macht Ihre Arbeit als Leiter des Fahrzeugmanage-ments und der damit einhergehenden Modernisierung der Talent-2-Fahrzeuge bei DB Regio Nordost so komplex und herausfordernd?
Daniel Bing: Sie meinen, abgesehen davon, dass wir uns zum Ziel gesetzt haben, bis Ende 2022 über 40 Fahrzeuge auf den neuesten Stand der Technik zu bringen und mit dem höchsten Komfort auszustatten – und das „unter rollendem Rad“? (lacht)
 
Genau. Bitte gehen Sie ins Detail.
Daniel Bing: Hier kommen tatsächlich einige Faktoren zusammen. Wir haben insgesamt vier verschiedene Ausführungen in der Talent-2-Fahrzeugfamilie. Einerseits haben die Fahrzeuge unterschiedliche Längen, es gibt also 3-Teiler und 5-Teiler. Letztere können auch nur an entsprechend langen Bahnsteigen verkehren. Und andererseits gibt es unterschiedliche Einstiegshöhen. Je nach hohem oder tiefem Einstieg, dürfen die Züge dann auch nur bestimmte Bahnhöfe ansteuern. Nehmen wir beispielsweise die RB23 zwischen Potsdam und Michendorf (oder die RB20 Potsdam-Oranienburg) – dort können ausschließlich Fahrzeuge mit Hocheinstieg eingesetzt werden. Wir müssen also ganz genau vorausplanen, welches Fahrzeug auf welcher Linie und für wie lange eingesetzt werden kann. Daran orientiert sich dann auch der Werkstattaufenthalt. Ein weiterer Faktor, der uns die Arbeit nicht gerade erleichtert: Wir können alte Fahrzeuge und modernisierte Fahrzeuge aufgrund unterschiedlicher Software nicht miteinander kombinieren, so wie es beispielsweise auf der RE7 und RB21/22 erforderlich ist. 

Ein Mann im dunklen Anzug sitzt auf den Treppen vor dem Berliner Hauptbahnhof.
Dr. Daniel Bing (38) ist Leiter des Fahrzeugmanagements bei DB Regio Nordost. Er leitet ein Team aus 20 Mitarbeiter:innen, das sich um insgesamt rund 700 Fahrzeuge in der Region, aber auch um die hochkomplexe Planung des Redesigns kümmert.


Was bedeutet das konkret für Fahrgäste, die zum Beispiel auf der beliebten Linie RE7 unterwegs sind?
Daniel Bing: Manch eine:r wird sich vielleicht wundern, warum derzeit moderne Züge am Gleis halten und im Frühjahr dann wieder alte. Dahinter steckt keine Willkür, sondern ein ausgeklügeltes Konzept. Dadurch, dass wir die Züge gerade auf dieser stark befahrenen Strecke, wie eben beschrieben, nicht frei kombinierbar einsetzen können, müssen wir immer wieder ganze Zugeinheiten, die softwarekompatibel sind, auch zwischen den Linien tauschen. Nur so können wir den Fahrgästen das gewohnte Angebot ohne Beeinträchtigungen anbieten. Schon ab Sommer 2022 können sich die Fahrgäste dort dann aber durchgehend über moderne Züge freuen.
 
Und über was freuen Sie sich bei Ihrer Arbeit eigentlich am meisten beziehungsweise was ist Ihr Antrieb?
Daniel Bing: Es ist tatsächlich die Arbeit im Team und gemeinsam mit ihm dafür zu sorgen, dass die Fahrgäste immer pünktlich ihre Züge bekommen. Meine Arbeit besteht viel aus Organisatorischem und Tabellen. Wenn dann aber die Theorie zur Praxis wird, und ich die modernisierten Züge draußen im Einsatz erlebe, zeigen sich auch die Resultate der Arbeit im Hintergrund.


Herzlichen Dank, Herr Dr. Bing und weiterhin viel Erfolg in Theorie und Praxis.


Das Interview führte Lionel Kreglinger.