Artikel: Wie früher gelebt und gepöbelt wurde
Grimmen ist eines dieser typischen, norddeutschen Ackerbürgerstädtchen mit Backstein- und Fachwerkhäusern inmitten grüner Landschaft. Dieser Tourvorschlag folgt den Zeugen des Mittelalters in der über 700-jährigen Stadt. Über die Jahrhunderte entstanden vier Stadtteile, die heute die Altstadt bilden, in deren Zentrum der Markt liegt. Hier schlug das Herz des gesellschaftlichen Lebens; hier wurde gelenkt, gehandelt, gerichtet. Und gepöbelt, wie die Schandkette am Eingang des Rathauses veranschaulicht.
Die historische Altstadt ist vom Bahnhof aus auf kurzem Weg zu erreichen. So ist diese insgesamt drei Kilometer lange Tour sehr gut für Ungeübte und Familien mit Kindern zu bewältigen. Diese werden sich besonders über das letzte Highlight der Tour freuen: den Tierpark mit niedlichen Erdmännchen, neugierigen Frettchen und Streichelzoo.
Eines der drei erhaltenen mittelalterlichen Stadttore
Vom Bahnhof aus geht es auf der Bahnhofstraße Richtung Osten geradewegs in die Innenstadt. Bald ist das Mühlentor zu erkennen, die erste Station der Tour. Unterwegs kommt man an der Bronzeskulptur „Waschfrau Hermine“ vorbei, die an den einstigen Waschplatz der Grimmener Frauen erinnert.
Das Mühlentor ist eines der drei erhaltenen mittelalterlichen Stadttore. Der spätgotische Bau war ursprünglich wichtiger Teil der Stadtbefestigungsanlage, die um 1320 entstand. Der Name ist auf die Wassermühle zurückzuführen, die bis etwa 1830 stadtauswärts vor dem Tor stand. 1985 legte man am Mühlentor den Grundstein für einen Neubau in Form eines Wiekhauses. Es entstand ein Museumskomplex, wofür das alte Stadttor ausgebaut und mit dem Neubau verbunden worden ist. Seit der Eröffnung 1987 zum 700-jährigen Jubiläum der Stadt können sich Gäste im Heimatmuseum ein Bild von der Stadtgeschichte machen.

Weiter geht es nach links in die Schulstraße, dort ist das Kalandhaus zu sehen. Es entstand um 1490 und beherbergte im ausgehenden Mittelalter eine wohlhabende Priesterbruderschaft, 1734 bis 1904 war hier Grimmens „Alte Schule“. Die „Kirchenbude“ nebenan, ein rund 200 Jahre alter schlichter Fachwerkbau, diente als kirchliches Altenheim.
Direkt daneben ist eine weitere Sehenswürdigkeit unübersehbar. Die Kirche St. Marien wurde im 13. Jahrhundert erbaut und ist das älteste Bauwerk der Stadt. Die Mauritiuskapelle ist seit 1615 Erbbegräbnisstätte der Familie des Freiherrn Albrecht von Wackenitz zu Klevenow.
Bis heute gesellschaftlicher Treffpunkt
Die Straße An der Stadtmauer lässt den einstigen Wehrgang der Stadtbefestigung noch gut erkennen. Sie führt zu dem Stadttor, das den Weg nach Stralsund und Richtung Ostsee sicherte. Das Stralsunder Tor, auch „Sundisches Tor“ genannt, ist eines von drei erhalten gebliebenen Toren. Der denkmalgeschützte Backsteinbau entstand um 1320/30. Seitdem diente er als Wehrtor, als Wohnung des Gerichtsknechtes und als Gefängnis.
Durch die Sundische Straße geht es zum Marktplatz. Er ist seit der Gründung der Stadt das Zentrum des städtischen Lebens. Hier konzentrierte sich das wirtschaftliche Treiben. Er war Gerichtsort und ist bis heute gesellschaftlicher Treffpunkt. Am prächtigen Backsteingiebel des Rathauses hängt eine schmiedeeiserne Kette mit einem Ring am Ende. Dieses Halseisen – im Volksmund auch Schandkette genannt – wurde Dieben und Hehlern umgelegt. So gefesselt, hatten sie das Gespött der Leute zu ertragen.

An der Westseite des Marktes steht seit 2005 der „Rückert-Brunnen“ mit Bronzefiguren des Künstlers Thomas Reich. Am historischen Verwaltungsgebäude links neben dem Rathaus thematisiert ein Bronzerelief die Hexenverfolgung in Grimmen.
Vom Marktplatz aus geht es weiter die Lange Straße entlang in Richtung Osten. Hier stoßen Ausflügler:innen auf den eindrucksvollen Wasserturm, der ziegelrot und zylindrisch seit 1933 weithin sichtbar die Silhouette Grimmens bestimmt. Wo sich bis in die 1960er Jahre das Wasserreservoir der Stadt befand, ist heute im Erdgeschoss die Stadtinformation untergebracht. Außerdem wird hier Kunst ausgestellt. Wer einen Überblick von oben erhalten möchte, nimmt die 116 Stufen zur Aussichtsplattform.
Zum Abschluss geht es in den Heimattierpark
Auf der kleinen Anhöhe befand sich im Mittelalter bis zu einem Brand 1637 eine befestigte Schlossanlage. In unmittelbarer Nähe des Turmes befindet sich neben dem Rest der Stadtmauer das Greifswalder Tor. Nach einem Blitzeinschlag um 1800 hat es leider viel von seiner einstigen Schönheit eingebüßt.
Der Rückweg zum Bahnhof führt an einem der Highlights von Grimmen vorbei – dem Heimattierpark. Auf 2,6 Hektar leben rund 200 Tiere in 40 Arten. Besonders in der Urlaubszeit gibt es regelmäßige Führungen und Schaufütterungen. Zudem bieten ein großer Spielplatz und diverse Sitzmöglichkeiten die Gelegenheit zum Verweilen. Entlang der Friedrichstraße gelangen Spaziergänger:innen zurück zum Bahnhof Grimmen.
Anreise
- Hinfahrt: z. B. mit dem RE5 um 7.47 Uhr oder um 9.47 Uhr ab Berlin Hauptbahnhof bis Bf Grimmen
- Fahrzeit: 2 Stunden 41 Minuten
- Rückfahrt: z. B. um 17.23 Uhr oder um 19.23 Uhr
Ticket-Tipp
Das Stadt-Land-Meer-Ticket für die Hin- und Rückfahrt kostet 44 € für eine Person. Bis zu 3 Kinder (6–14 Jahre) fahren kostenfrei mit. Es kann für einen Tagesausflug, aber auch für längere Aufenthalte und Reisen mit Zwischenstopps genutzt werden, denn es gilt zur Hinfahrt am ersten Geltungstag und am Folgetag. Außerdem berechtigt es zur Rückfahrt innerhalb eines Monats ab dem ersten Geltungstag des Reiseantritts und am Folgetag.
Ab zwei Erwachsenen empfiehlt sich das Quer-durchs-Land-Ticket. Es gilt montags bis freitags von 9 Uhr bis 3 Uhr des Folgetages (Sa, So und an gesetzlichen Feiertagen von 0 Uhr bis 3 Uhr des Folgetages) für beliebig viele Fahrten im Regionalverkehr – und zwar deutschlandweit. Es kostet für einen Reisenden 49 €, bis zu drei Kinder (6–14 Jahre) fahren kostenlos mit. Zwei Erwachsene zahlen 59 €, bei drei Erwachsenen sind es 69 €.
Wer das Deutschland-Ticket nutzt, kommt damit auch nach Grimmen.
Weitere Informationen hier: bahn.de/brandenburg | vbb.de
Text: terra press, punkt 3, 09.10.2025