Artikel: Gemeinsam für Zivilcourage
Die große Vielfalt Brandenburgs wurde vom 12. bis 14. September in der Perleberger Altstadt sichtbar. Zum 18. BRANDENBURGTAG kamen 80.000 Menschen von nah und fern. Mehr als 300 Marktstände präsentierten regionale Produkte und brandenburgische Initiativen aus Kultur, Sport, Natur und Umwelt. Mehrere Bühnen boten ein buntes Programm mit Musik, Comedy, Akrobatik und Theater. Insgesamt wirkten etwa 3.000 Menschen aus Zivilgesellschaft, Vereinen oder als Ehrenamtliche mit.
Auch die Deutsche Bahn war beim BRANDENBURG-TAG aktiv dabei. Zusammen mit dem „Theater (in) Zivil“ veranstaltete DB Regio Nordost Workshops rund um das Thema Zivilcourage. Das Theater ist ein Kollektiv von Spielenden, die Zivilcourage im öffentlichen Raum trainieren wollen. Die Erfahrung zeigt, dass sich Menschen in schwierigen Lagen gegenseitig helfen möchten, oft aber nicht wissen, wie das geht. Das „Theater (in) Zivil“ bietet den geschützten Rahmen, in dem das ausprobiert werden kann. Leider ist der Bahnalltag nicht frei von Diskriminierung oder Respektlosigkeit, Menschen werden beleidigt, ausgegrenzt oder übersehen.
Die Workshops am Stand von DB Regio Nordost regten dazu an, sich mit möglichen Konflikten, die während einer Bahnfahrt entstehen könnten, konkret auseinanderzusetzen. Basierend auf den Methoden des Forumtheaters, spielt das Publikum dabei eine wichtige Rolle: Es greift in eine dargestellte, problematische Alltagssituation ein und verändert diese zum Positiven.
Um die Bahnfahrt eindrücklich zu simulieren, waren am Stand von DB Regio Nordost originale Sitze aus Regionalzügen aufgestellt, auf denen Interessierte Platz nahmen. Dann spielten Johanna, Natascha und Paul vom „Theater (in) Zivil“ typische Situationen des Bahnalltags nach: Rempeleien beim Ein- und Aussteigen, Streit zwischen Fahrgästen und rücksichtsloses Verhalten.
Ein konkretes Szenario war folgendes: Eine junge Frau, die Schauspielerin Natascha, betrat die Bühne und drängelte sich mit mehreren großen Taschen zwischen die Fahrgäste, telefonierte dabei laut. Als sie endlich saß, riss sie eine Tüte Chips auf und aß diese laut. Ihre Mitreisenden hatten zuvor den Auftrag bekommen, entweder Sudoku zu lösen oder ihre Weiterreise zu planen, was ihnen in dieser stressigen Situation jedoch nicht möglich war.
Das zuschauende Publikum befand die Szene als typisch für Bahnfahrten und sammelte weitere Beobachtungen: Die Frau hatte ihre Tasche einfach unter den Sitz einer Mitreisenden geschoben und eine Getränkedose vor dem Gesicht eines anderen Fahrgastes aufgerissen. Im Anschluss fragte Paul die Zuschauenden, was sie verändern und wie sie eingreifen würden.
Marcel, der mit seiner Familie auf dem BRANDENBURG-TAG war, schlug vor, die junge Frau darum zu bitten, leise zu telefonieren. Er durfte die Szene nun selbst betreten und das ausprobieren. Nachdem Marcel seine Bitte freundlich geäußert hatte, war sofort für alle eine positive Veränderung spürbar. Die anderen Fahrgäste wurden aufmerksamer und solidarisierten sich miteinander, die junge Frau benahm sich danach respektvoller.
Der Workshop hat
mir Spaß gemacht. Vor allem das lautstarke Telefonieren ist beim Bahnfahren nervig. Das Durchspielen der Situation hat viel geholfen, das Üben hilft auch für die Realität. (Marcel)
Ich fand den Workshop auch gut, allerdings könnte es in einer realen Situation viel aggressiver werden. Die Schauspielerin hat ja verhältnismäßig nett auf Kritik reagiert. (Doreen)
Paul unterbrach die gespielten Szenen immer wieder und fragte die Mitspielenden nach Momenten, in denen ihr Eingreifen und das Stopp-Sagen möglich gewesen wären. Diese Momente zu erkennen, ist nicht immer leicht, das Training dafür aber wichtig, vor allem, wenn Situationen zu eskalieren drohen oder sich Gewalt andeutet. Um auch das zu üben, wurden vom Theater ebenfalls Szenarien durchgespielt, die ernster waren, beispielsweise die Konfrontation mit Obdachlosigkeit, aggressivem Betteln oder mit Betrunkenen.
„Wir stellen auch schwierige Situationen nach, die Fahrgäste selbst erlebt haben und die sie noch immer beschäftigen“, sagte Paul Maximilian Pira, Schauspieler und Gründungsmitglied vom „Theater (in) Zivil“. „Das versuchen wir dann im Workshop aufzulösen.“
Wer möchte es selbst ausprobieren?
In Berlin und Rostock finden ebenfalls Workshops statt. Die Teilnahme ist kostenfrei. Vorerfahrung ist nicht erforderlich, nur die grundsätzliche Bereitschaft, sich einzulassen und auszuprobieren. Mitmachen dürfen Interessierte ab 14 Jahren. Anmeldung unter bahn.de/respekt
Workshop Berlin-Lichtenberg
- Termin: 14. Oktober | 17–19 Uhr
- Ort: Berlin-Lichtenberg, DB Regio Werk, Buchberger Str. 19, 10365 Berlin
- Anfahrt: Bf Berlin-Lichtenberg: RB12, RB24, RB25, RB26, RB32, S5, S7, S75, U5
Workshop Rostock
- Zeit: 15. Oktober | 17–19 Uhr
- Ort: Rostock, DB Regio Werk, Dalwitzhofer Weg 9, 18055 Rostock
- Anfahrt: Rostock Hbf: RE5
Text: Dorit Linke für punkt 3, 25.09.2025