Fit für die nächste Runde

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Artikel: Fit für die nächste Runde

Olaf Möller, Projektleiter Fahrzeugumbau, spricht im Interview über ein herausforderndes Projekt

Ab 11. Dezember 2022 werden auf den wichtigsten Strecken in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mehr Züge als bisher mit deutlich höherem Komfort unterwegs sein.

Wie die Fahrzeuge auf die Anforderungen der Zukunft vorbereitet werden – darüber berichten wir hier in loser Folge.

DB Regio Nordost hat neben dem Umbau von 145 Doppelstockwagen und 29 Lokomotiven bei der DB Fahrzeuginstandhaltung auch dem Fahrzeughersteller Alstom (vormals Bombardier) den Auftrag erteilt, 41 Talent-2-Triebwagen zu modernisieren, um sie fit für den Einsatz im Netz Elbe-Spree zu machen. 

Punkt 3 hat mit Olaf Möller, Projektleiter Fahrzeugumbau für das Netz Elbe-Spree, über die Herausforderungen gesprochen, die eine solche Modernisierung mit sich bringt. 

Herr Möller, gestatten Sie zunächst die Frage: Warum nicht einfach neue Fahrzeuge kaufen. Was macht eine Runderneuerung besser?

Olaf Möller: Unsere Fahrzeuge haben eine geplante durchschnittliche Lebensdauer von 25 Jahren. Nach der vergangenen ersten Verkehrsvertragsperiode von zehn Jahren haben sie also erst ihre halbe Lebensdauer hinter sich. Wenn überhaupt. Es wäre unverantwortlich, die vorhandenen Fahrzeuge zu verschrotten und durch neue zu ersetzen.

Hierbei spielt die Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle. Einerseits erwarten die Reisenden heute zu Recht einen höheren Standard als vor zehn Jahren. Andererseits wollen wir beweisen, dass man vorhandene Fahrzeuge durch eine Modernisierung wieder auf den aktuellen Stand bringen und so die technische Lebensdauer optimal ausschöpfen kann. 

Haben Sie in der Vergangenheit schon ein ähnliches Projekt gestemmt? 

Olaf Möller: Ich habe mich seit Mitte der 90er-Jahre um die Beschaffung von  Schienenfahrzeugen gekümmert – und das europaweit. Da steckt man schon ein bisschen im Thema und weiß worauf es ankommt.

Auch als Laie kann man sich vorstellen, dass ein Umbau eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist. Wie packen Sie die an?

Innenansicht eines entkernten Fahrzeugs. Z.B. die Deckenpaneele und Sitze sind entfernt.
Entkerntes Fahrzeug des Typs ET442 (Talent 2)

Olaf Möller: Am Anfang stehen Prototypen, im Fall der Talent-2-Fahrzeuge waren es drei Fahrzeuge. Sie dienten der Firma Alstom zunächst als Muster für alle geplanten Umbauten und anschließend als Testfahrzeuge. Schließlich sind Prototypen dazu da, die Funktionalität der neuen Komponenten zu erproben, Fehler festzustellen und zu korrigieren.

Anhand der drei Triebfahrzeuge konnten also die gesamten Konstruktionen und die neuen Software-Lösungen direkt am Fahrzeug überprüft werden.

Und wenn alle Tests bestanden sind, geht es schließlich in den Serienumbau?

Olaf Möller: Richtig. Es können maximal vier Fahrzeuge gleichzeitig im Serienumbau stehen. Für jedes einzelne Fahrzeug dauert der Umbau etwa zwei Monate. Erst wenn wir ein Fahrzeug abnehmen, bekommt Alstom das nächste – sodass immer vier Fahrzeuge gleichzeitig im Werk sind.

Da gibt es Standardprozesse: Die Fahrzeuge bekommen eine Grundreinigung und Schäden werden beseitigt, dann werden sie innen auseinandergebaut und der gesamte Innenraum wird modernisiert. Anschließend kommt dann eine andere Sitzlandschaft rein und Bauteile wie neue Bildschirme und WLAN werden installiert. Danach erhalten sie eine Lackauffrischung.

Apropos Nachhaltigkeit: Wir überlegen, wie ausgebaute Teile – die Sitze zum Beispiel – noch sinnvoll genutzt werden können.

Wo liegen die Herausforderungen, wenn ein Fahrzeug komplett umgebaut und erneuert wird?

Olaf Möller: Die Umbauzeit muss eingehalten werden und die Qualität im Umbau muss stimmen. Dafür gibt es als Qualitätssicherung eine Bauüberwachung und -abnahme.

Eine besondere Herausforderung ist die gesamt Materiallogistik – also die Materialbeschaffung und -bereitstellung. Da hakt es manchmal und es gibt Lieferschwierigkeiten. Dann ist Organisationstalent gefragt.

Innenansicht eines entkernten Fahrzeugs. Z.B. die Deckenpaneele und Sitze sind entfernt.
Entkerntes Fahrzeug des Typs ET442 (Talent 2)

Gab es auch Überraschungen?

Olaf Möller: Ja klar, kein Projekt ohne Überraschung (lacht). So wurden an manchen Außenflächen im Nachhinein Piktogramme beseitigt. Und dann ergab sich anstelle der ehemaligen Piktogramme eine Art Geisterschrift. Da musste also zusätzlich lackiert werden. Das sind so Sachen, die vorher nicht geplant waren.

Wie viele der umgebauten Fahrzeuge sind wieder auf der Strecke?

Olaf Möller: Die drei Prototypen sind umgebaut und wieder für die Fahrgäste unterwegs. Im Mai haben wir bereits das erste Serienfahrzeug bekommen und ab jetzt werden wir von Alstom etwa zwei Fahrzeuge pro Monat aus dem Umbau erhalten. Wir haben also insgesamt noch rund 18 Monate Zeit, in denen 38 Fahrzeuge umzubauen sind.

Wo sind die neuen Fahrzeuge bereits zu erleben?

Olaf Möller: Aktuell setzen wir sie auf der Linie RB24 zwischen Senftenberg und Eberswalde und auf der Linie RB 20 zwischen Oranienburg und Potsdam ein.

Wenn mehr Fahrzeuge aus dem Umbau zur Verfügung stehen, ist zudem geplant, sie nach und nach auf der Linie RE7 zum Einsatz zu bringen. Das bereiten wir derzeit vor, etwa Mitte des Jahres soll es soweit sein.

Das Interview führte Josephine Mühln/punkt 3