Bitte quereinsteigen!

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Artikel: Bitte quereinsteigen!

Mit Bratwurst, Werksbesichtigung und Speed-Dating im Zug geht’s zum neuen Job bei der DB Regio Nordost

„Das Wichtigste bei einem Zug ist der Stromabnehmer“, erklärt Michael Regel. Der Fahrzeugingenieur bei DB Regio Nordost steht mitten auf dem Dach eines roten Regional-Express’ der Baureihe ET442-Talent. Die Technik versorgt das Fahrzeug mit Energie – und ist jetzt abgeschaltet und geerdet, andernfalls wäre das Betreten des Daches lebensgefährlich.

Seine Besucher:innen in der Lichtenberger Werkstatt hören ihm gespannt zu. Sie stehen auf den Arbeitsplattformen, auf denen normalerweise die Instandhalter:innen unterwegs sind, um die Züge zu warten oder zu reparieren.  „Die Kästen, die Sie hier auf dem Dach sehen, sind die Klimaanlagen und Stromrichter. Weiter hinten befindet sich die Luftversorgungsanlage.“ – „Kommt so frische Luft in den Fahrgastraum?“, fragt ein Zuhörer den Ingenieur. „Nein, mit Hilfe der Anlage wird Druckluft erzeugt – nur so funktionieren unter anderem die Bremsen und die Federung des Zuges – sonst wäre es ziemlich ruckelig für die Fahrgäste“, erklärt Regel.

Den vielleicht zukünftigen Arbeitsplatz kennenlernen

Bei der Führung durch die Halle erfährt die Gruppe noch vieles mehr darüber, wie Züge instand gehalten werden – vom Tauschen der riesigen Radsätze bis zum Wechsel der grauschwarzen Bremsbeläge, die etwa alle 250.000 Kilometer erneuert werden müssen.

Die Zuhörer:innen in der Werkstatt waren zu Gast beim Recruiting-Event von DB Regio. Sie wollten die hunderte Tonnen schweren Fahrzeuge schon mal aus der Nähe besichtigen, die in Zukunft vielleicht ihr Arbeitsplatz werden. Zwölf Monate dauert es, sich zur Lokführer:in umschulen zu lassen. Bewerben kann sich jeder, der das 20. Lebensjahr vollendet hat – vorausgesetzt er oder sie hat einen Schulabschluss und eine Ausbildung in der Tasche. Eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht; wer Züge steuern will, muss jedoch seine Eignung dafür in medizinischen und psychologischen Tests nachweisen.

Ein Mann posiert für das Foto vor einem roten Regionalzug.
Philipp, bisher Busfahrer auf dem Berliner Flughafen, wechselt von der Rollbahn auf die Schiene.

Der älteste Teilnehmer beim Event war 60 Jahre, der jüngste 13 – mit seiner Bewerbung muss er noch etwas warten. Mit dabei waren Interessierte aus den verschiedensten Berufen – vom Schreiner bis zur Bürokauffrau, von der Friseurmeisterin bis zur Kfz-Mechatronikerin. Die Besucherin Solveig erzählt: „Ich bin ausgebildete Musikerin und finde Zugfahren und Reisen schon immer spannend. Mich würde interessieren, inwiefern eine Lokführerin auch körperliche Kraft bei ihrer Arbeit benötigt. Kann ich das schaffen?“

Von Quereinsteiger Mario Bohn, der bereits seit Beginn dieses Jahres die Umschulung zum Lokführer macht, erfährt sie: „Geht unterwegs etwas am Zug kaputt, stellt der Lokführer eine erste Diagnose. Größere Schäden an den Fahrzeugen, bei denen starke Hände gefragt sind, werden von der Instandhaltung repariert.“ Er selbst hat seinen Jobwechsel bisher nicht bereut. „Wir haben tolle Trainer:innen, die wir alles fragen können. Man muss kein Technik-Profi sein, um den Quereinstieg zu schaffen.“ Während der Ausbildung müsse man jedoch bereit sein, in kurzer Zeit sehr viel zu lernen. „Schließlich sind wir später für viele hunderte Menschen im Zug verantwortlich.“

Ein Mann ist von hinten zu sehen, er steuert am Simulator einenvirtuellen Zug.
Am Simulator konnten die Teilnehmenden einen Zug auf virtuellen Schienen steuern.

Einen Eindruck, wie es sich anfühlt, einen Zug zu steuern, durften die Besucher:innen gleich nebenan in der Tf-Akademie gewinnen: Am Simulator beschleunigten sie mit einem schwarzen Fahrhebel einen Zug auf virtuellen Schienen. Bei der Einfahrt in den Bahnhof hieß es Signale beachten und rechtzeitig bremsen! Per Virtual-Reality-Brille konnten sich die Teilnehmer:innen auch in das Innere eines Doppelstockwagens bewegen und mit einer virtuellen Hand – dem sogenannten Paddlet – üben, eine Zugtür abzusperren oder eine Handbremse zu lösen.

Einige Besucher:innen nutzten die Chance, direkt in den dreiteiligen Elektrotriebwagen als Bewerbungszug einzusteigen, der vor der Werkshalle stand. Beim „Speed-Dating“ hatten sie die Gelegenheit, die Bahnmitarbeiter:innen von ihren Qualitäten zu überzeugen.

Zusagen nach "Speed-Dating" im Bewerbungszug

„Ich hab’s geschafft“, freut sich Philipp nach seinem Vorstellungsgespräch. Bisher hat er als Busfahrer auf dem Berliner Flughafen gearbeitet. Was ihn zum Wechsel von der Rollbahn auf die Schiene bewegt hat? „Ich suche einen Arbeitgeber, der mir eine sichere Bezahlung bietet und ich will mich gerne beruflich weiterentwickeln.“ Seine alte Firma hatte ihren Betrieb geschlossen. 

Auch Bewerber Sead hatbereits eine Zusage in der Tasche: „Ich werde meinen Beruf wechseln: Wann, wenn nicht jetzt?“ Als Erinnerung gab es noch ein Foto im Führerraum auf dem künftigen Arbeitsplatz. Die nächsten Ausbildungen starten am 2. Oktober 2023, auch im nächsten Jahr sind schon weitere Lehrgänge geplant.

Info

Interesse am Quereinstieg zum:zur Lokführer:in? Mehr erfahren unter: db.jobs/de

Text: Kristin Lübcke, punkt 3, 15.06.2023