Artikel: Achtung Lebensgefahr!
Uwe Lademann von DB Regio Nordost über das Aussteigen auf freier Strecke
Im Juni und Juli kam es bei DB Regio zweimal zu ungeplanten Halten auf freier Strecke, bei denen Fahrgäste eigenständig ausstiegen. Warum dies nicht nur zusätzliches Chaos verursacht sondern auch lebensgefährlich ist, erläutert der Eisenbahnbetriebsleiter von DB Regio Nordost, Uwe Lademann.
Zum Glück passiert es selten, dass ein Zug auf freier Strecke länger halten muss. Warum geht es dann nicht weiter?
Uwe Lademann: In den meisten Fällen stoppen Züge auf freier Strecke nur kurz, etwa weil ein vorausfahrender Zug Verspätung hat. Dann geht es schnell wieder weiter mit der Fahrt. Längere Halte sind selten. Ursachen können zum Beispiel umgefallene Bäume durch Stürme sein, Wildunfälle oder technische Störungen.
Was sollte ich als Fahrgast tun, wenn es zu einem Stopp kommt?
Uwe Lademann: Bewahren Sie Ruhe und warten Sie unbedingt auf die Ansagen des Zugpersonals. Unsere Lokführer informieren Sie, warum das Fahrzeug stoppen musste und wann es weitergeht. Natürlich erfahren unsere Kunden auch schnellstmöglich, welche Anschlüsse es bei Verspätungen gibt.
In welchen Fällen muss der Zug evakuiert werden?
Uwe Lademann: Zunächst tun wir alles, um unsere Fahrgäste in ihrem Zug zumindest zum nächsten Bahnhof oder Haltepunkt zu bringen. Kleinere Reparaturen beheben Lokführer selbst. Bei größeren Schäden unterstützen unsere Kollegen vom DB Regio-Notdienst und die Notfallmanager von DB Netz. Sie sind rund um die Uhr in Bereitschaft, um im Ernstfall mit großem Einsatz zu helfen. In seltenen Fällen kann eine Evakuierung des Zugs notwendig werden. Wichtig: Die Fahrgäste können sich darauf verlassen, dass im Hintergrund eine große Hilfsmaschinerie in Gang gesetzt wird – auch wenn länger gewartet werden muss.

Warum sollte ich auf keinen Fall versuchen, selbst auszusteigen?
Uwe Lademann: Ich kann nur dringend davor warnen, ohne Anweisung des Zugpersonals oder der Rettungskräfte das Fahrzeug zu verlassen. Wer das tut, begibt sich in Lebensgefahr und ist ein schlechtes Vorbild für andere! Damit die Reisenden sicher auf freier Strecke aussteigen können, müssen wir zum Beispiel die Gleise vorher für andere Züge sperren, defekte Oberleitungen abschalten oder Ausstiegshilfen für die Fahrgäste anbringen. Bei der S-Bahn stehen die Stromschienen unter Spannung. Und nicht zuletzt führt der unkontrollierte Ausstieg dazu, dass spätestens dann die Strecke für mehrere Stunden gesperrt werden muss und damit der Zug auch nicht mehr weiterfahren oder abgeschleppt werden kann. Die Gefahr von Unfällen ist zudem sehr hoch, außerdem können empfindliche Geldstrafen drohen.
Wie funktioniert die Evakuierung genau?
Uwe Lademann: Erst wenn die erforderlichen Rettungs- und Hilfskräfte vor Ort sind, dürfen die Fahrgäste aussteigen. Sie weisen ihnen einen sicheren Weg und bringen sie zu einem anderen Zug – falls möglich. Alternativ organisiert die Leitstelle Plus von DB Regio einen Busnotverkehr. Sie ist rund die Uhr besetzt und kümmert sich schnellstmöglich um Hilfe.
Wie wird das Zugpersonal geschult für solche Fälle?
Uwe Lademann: Der Umgang mit Notfällen ist fester Teil der Ausbildung unseres Zugpersonals. Lokführer, Kundenbetreuer und Rettungskräfte absolvieren später zudem regelmäßige Praxisübungen – zum Beispiel Evakuierungen. Wir stellen verschiedene Szenarien nach und spielen durch, wie im Ernstfall reagiert werden muss. Die Sicherheit unserer Fahrgäste steht dabei immer an oberster Stelle.
Text: Kristin Lübcke, punkt 3, 13.07.2023