„Nach Möglichkeit muss hier jede:r alles können“

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Artikel: „Nach Möglichkeit muss hier jede:r alles können“

Ein Gespräch mit dem Fachkoordinator Axel Schütze

Axel Schütze (34) ist Auszubildenden-Fachkoordinator bei DB Regio Nordost und qualifizierter Instandhalter im Betriebswerk Lichtenberg. Dort betreut er aktuell fünf Azubis im Mechatronikbereich und koordiniert deren zehn Fachvermittler:innen. Sein Schwerpunkt sind Inbetriebnahmen und Prüfungsaufgaben im Rahmen seiner Position als Sicht- und Ultraschallprüfer. Eine klassische Modelleisenbahner-Karriere kann er nicht vorweisen – er war einfach „immer schon begeistert von der ganz großen Zugtechnik“. Wir sprachen mit ihm über Kerninhalte, Herausforderungen und Highlights in der Mechatroniker:innenausbildung bei DB Regio Nordost.

Herr Schütze, wie würden Sie Mechatronik für Laien generell definieren?
Axel Schütze: Mechatronik ist ein sehr breiter Überbegriff für die technische Verbindung von Elektronik, Mechanik, Hydraulik und Pneumatik – also im Prinzip alles, was sich bewegt. Egal, ob über Strom, Luft oder Flüssigkeit. Früher gab es das Berufsbild des Schlossers und das des Elektronikers – und heute gibt es mit den Mechatroniker:innen quasi eine Verbindung von beidem.


Wo kommt Mechatronik im Kontext der Bahn beziehungsweise hier im Betriebswerk Lichtenberg zum Tragen? 
Axel Schütze: Türen sind ein gutes Beispiel. Diese können pneumatisch oder eben auch elektrisch gesteuert sein. Auch die Bremssysteme werden über Pneumatik geregelt. Und jetzt im Sommer natürlich ganz wichtig: die Klimaanlagen, wo die Verbindung von Kältemittel, also Flüssigkeiten, die sich bewegen, und Elektronik, die die Anlage selbst antreibt, zum Zuge kommen. Dazu kommen rein mechanische Arbeiten wie das Wechseln der Radsätze oder das Tauschen der Bremsbeläge. Aber auch im Innenbereich sind Mechatroniker:innen im Einsatz und kümmern sich etwa um die Sitzpolster, die Beleuchtungs- oder Toilettentechnik. Im Prinzip kann man sagen, alles, was am Zug kaputtgehen kann, repariert der Mechatroniker oder die Mechatronikerin. Wir hier im Betriebswerk sind dafür da, den laufenden Betrieb in Gang zu halten. Unser Anspruch ist: nach Möglichkeit muss hier jede:r alles können.
 

Ein Mann in blauer Arbeitskleidung hat ein Messgerät in der Hand und lächelt in die Kamera.
Fachkoordinator Axel Schütze mit einem Impedanzmessgerät im Betriebswerk Lichtenberg.


Wie sehen die wichtigsten Säulen der Mechatroniker:innen-Ausbildung bei DB Regio Nordost aus?
Axel Schütze: Das erste Lehrjahr besteht schwerpunktmäßig aus Grundlagenausbildung. Hier geht es um Fragen wie: Wie funktioniert die Bahn eigentlich? Wie ist so ein Reisezugwagen und ein Triebwagen aufgebaut? Was ist ein Radsatz? Wie funktioniert eine Bremse? Wo ist der Unterschied zwischen einem Elektro- und einem Dieseltriebwagen? Und natürlich lernen die Azubis die zahlreichen Fahrzeugbaureihen kennen. Wir hier in Lichtenberg haben allein mit den verschiedenen Diesel- und Elektroloks sowie den unterschiedlichen Doppelstockfahrzeugen sieben bis acht Baureihen. Alle mit ganz unterschiedlicher Technik. Die Azubis werden eingebunden in Fristarbeiten wie dem Tausch von Filtern, der Ergänzung von Betriebsstoffen wie Spurkranzschmier-, Motoren-, Getriebeöl oder Scheibenwischwasser, aber auch in Reinigungs- und Wartungsarbeiten zum Beispiel an der „Schaku“, der Scharfenbergkupplung, die vorne an den Zügen dran ist und regelmäßig gereinigt und gefettet werden muss. Die Kontrolle und Instandhaltung der Inneneinrichtung gehört zudem auch zum Aufgabengebiet.
 
Und was sind die Herausforderungen nach dem ersten Lehrjahr?
Axel Schütze: Im zweiten Lehrjahr werden die Azubis dann zusätzlich mit sehr umfangreichen speziellen Fehlersuchen und den entsprechenden Diagnose-Tools konfrontiert – und das breitgefächert über alle Baureihen. Im dritten und vierten Lehrjahr findet dann eine stärkere Spezialisierung auf bestimmte Baureihen statt. Diese richtet sich dann nach betrieblichem Bedarf und individueller Interessenlage der Azubis.
 
Warum dauert die Ausbildung dreieinhalb Jahre und damit länger als andere Ausbildungen?
Axel Schütze: Die Ausbildungsinhalte sind einfach extrem komplex und es kommen immer mehr technische Themenfelder im Steuerungs- und Softwarebereich hinzu. Unsere Azubis werden im ersten Lehrjahr zum Beispiel stark ausgebildet in Schweißen, Brennschneiden, Sägen, Bohren, Feilen oder Gewindeschneiden und tauchen dann später tief in den Elektrotechnikbereich samt Pneumatik und Hydraulik ein. All diese komplexen Themenfelder benötigen einfach ihre Zeit.
 
Was ist das Besondere an dem ersten Jahrgang in Berlin?
Axel Schütze: Die Jungs sind einfach Feuer und Flamme für die Bahn und total begeistert von Dieselmotoren und Getrieben. Ein richtiger Schrauber-Jahrgang sozusagen. Ich selber übrigens schraube lieber an den elektrischen Triebwagen – die sind insgesamt einfach sauberer und man riecht nach der Arbeit nicht ganz so schlimm nach Diesel. (lacht)
 
Was begeistert Sie an Ihrem Job und der Zusammenarbeit mit den Azubis?
Axel Schütze: Generell hatte ich immer schon ein Faible dafür, Wissen weiterzugeben. Es macht mir Spaß, die Lehrlinge anzuleiten, ohne alles nur vorzubeten. Ich führe sie zu Lösungen, die sie sich selbst erarbeiten müssen. Besonders liegen mir auch Sichtprüfungen, wo man beispielsweise die Stabilisatoren im Drehgestell, das die Räder des Zuges umfasst, auf mögliche haarfeine Risse untersucht. Nicht die einzige Tätigkeit als Mechatroniker, wo man wirklich 100 Prozent seiner Sehstärke benötigt.
 
Vielen Dank für das starke Gespräch, Herr Schütze, und weiterhin zwei scharfe Prüferaugen.

Das Interview führte Lionel Kreglinger.